Unterwegs

Wer stand nicht schon einmal ratlos auf Raststätten vor dem Waschbecken und wollte seine Hände waschen. Da wird gedreht, gedrückt, hin und her geschoben bis man endlich merkt, dass man gar nichts machen muss. Lediglich die Hände unter den Wasserhahn halten und das Wasser läuft und läuft und läuft.

Es stellt sich mir jetzt die Frage, warum es nicht aufhört, wenn ich mit dem Händewaschen fertig bin? Also drücke ich wieder und fluche leise vor mich hin. Eine nette Dame neben mir spricht meine Sprache und sagt: „Sie brauchen nur etwas Geduld. Dann hört es von alleine wieder auf.“ Ich bedanke mich freundlich und gehe. Hände trocknen am Automaten! Es sieht aus , als würde ich sie in einen Toaster schieben. Binnen weniger Sekunden schlagen meine Hände Wellen und trocken sind sie. Ich wusste gar nicht, dass ich an dieser Stelle so viel Haut habe. Beim Hinausgehen stelle ich mir vor, was passiert wäre, wenn ich meinen Kopf in dieses Ding gesteckt hätte. Noch bevor ich diesen Gedanken vollenden kann, wartet bereits das nächste Hindernis. Das Drehkreuz, durch das ich vor ein paar Minuten problemlos gekommen bin. Es dreht sich zwar, aber nur ganz kurz und ich bleibe dazwischen stecken. Gott sei Dank erklärt mir die gleiche Dame, dass ich da ganz zügig durchgehen muss, sonst klemmt es. Ich schaffe es schließlich mit hochrotem Kopf zu entkommen. Die kleine Schlange, die sich mittlerweile gebildet hat, schaut mir belustigt hinterher. Nach einer weiteren dreistündigen Fahrt fragt mein Mann: „Sollen wir halten, muss jemand zur Toilette?“ Ich schreie als Erste „Nein!“

Leseecke – Buchentdeckung

Vielen Dank an die liebe Skelligs für diese wunderBare Rezension! 🙂

My Life With Myasthenia Gravis

Pfarrersfrau

„Ich bin keine Pfarrersfrau … oder doch?

Susann Carius

*****

Beginne zu lesen und man/frau kann nicht mehr aufhören! 🙂

Das Buch zu lesen hat mich amüsiert, mir oft ein Schmunzeln ins Gesicht gezaubert und mir mehr als einmal ein glucksendes Lachen entlockt.

Die Autorin schreibt mit einem Wortwitz, gepaart mit einer scharfen Beobachtungsgabe in einer Lockerheit über Themen, die Frauen jenseits der 50, die sogenannten „Best-Ager“, bewegen, dass man sich beim zustimmenden Nicken öfter ertappt, wenn man sich vom Lachen erholt hat.

Mitten aus dem Leben und nie überzeichnet, mit Ironie, Bissigkeit und Lässigkeit führte sie mich durch diese Geschichte eines Freundes-Kleeblatts. Ich habe das Buch nicht aus den Händen legen können, ich musste es an einem Stück „vertilgen“. Und – es ist eine tolle Lektüre, ein Plädoyer für die Liebe und Freundschaft.

Genial finde ich die Umsetzung der inneren Stimme, welche die Protagonistin dieses Buches als einen Satelliten…

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In Pauls Schuhen, Teil 23


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Mutter war noch immer nicht zu Hause. Paul nutzte die Gunst der Stunde und holte zwei Bier aus dem Kühlschrank. „Lass die Schuhe noch an Ginger. Ich möchte von Mann zu Mann mit dir reden.“ Während er diesen Satz sagte, schüttelte er mit dem Kopf. Wahrscheinlich verstand er selbst nicht genau, was diese Worte für eine Tragweite hatten. „Wie kommt es, dass die Frauen so auf dich fliegen? Allein das Gerät, was da in deiner Hose steckt, kann es doch nicht sein.“„Ich weiß es nicht. Es ist eben so. Schau mich doch an. Ich bin perfekt. Ich sage dir, ich bekomme jede Frau, die ich will.“ „Weißt du, was ich glaube? Dass du als Mann ein arrogantes Arschloch bist.“ Ich lachte und lehnte mich mit meinem Bierchen genüsslich zurück. „Das sagt gerade der Richtige. Du schleppst doch auch alle Weiber ab.“ Paul blickte ins Leere. „Bitte lass Stella in Ruhe.“ „Ich? Ich habe ihr nicht meine Handynummer zugesteckt.“ „Bitte Ginger oder Tom, was weiß ich, rufe sie nicht an.“ Plötzlich dämmerte mir, was da gerade lief. „Du bist verliebt Paul, stimmt`s?“ Er gab mir keine Antwort. Ich bohrte weiter. „Nun sag schon. Du wolltest doch von Mann zu Mann reden. Bist du oder bist du nicht?“ „Ja, verdammt noch mal. Ich bin es.“ „Bleib cool Bruder. Ich hole uns noch ein Bier.“ Er war also in diese Stella verliebt, aber ich fand sie auch sehr anziehend. Auf der einen Seite war er mein Bruder, aber wen würde das interessieren. Schließlich hat sie mir die Nummer gegeben und nicht ihm. Als ich ins Wohnzimmer zurückkam fauchte Paul mich an. „Zieh die Schuhe aus. Ich möchte mit meiner Schwester reden.“ Ich schaute ihn erstaunt an. „Warum? Gefallen dir meine Antworten nicht?“ „Nein, ganz und gar nicht. Zieh die Schuhe aus.“ Ich schaltete auf stur. „Ich denk doch gar nicht dran. Ich fühle mich zurzeit ganz wohl.“

Paul stand auf, ging in sein Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Genau in diesem Moment öffnete sich eine andere und Jonathan stand vor mir. „Wer sind Sie denn?“ „Das gleiche könnte ich Sie auch fragen“, gab ich ihm forsch zur Antwort. „Ich bin ein Freund des Hauses“, antwortete er mir selbstsicher. „Und ich bin der Cousin aus Amerika.“ Jonathan überlegte einen Moment, um mich dann weiter auszufragen. „Sie sind der Cousin aus Amerika? Da hat mir Elisabeth aber nichts gesagt.“ „Sollte sie das? Wo ist überhaupt Mu….“ Ich räusperte mich. „Elisabeth?“ „Sie hat eine Freundin getroffen und wollte noch nicht nach Hause.“ „Aha und was tun sie hier? Haben sie keine eigene Wohnung?“ „Ich warte hier, bis sie mich anruft, um sie abzuholen.“ Ich schaute ihn erstaunt an. Wie ein Trottel stand er nun vor mir. Nichts mehr zu sehen von seiner Arroganz und Selbstsicherheit. Er tat mir fast schon leid.

„Setzen Sie sich“, bat ich ihn. „Möchten Sie ein Bier?“ „Ich trinke nicht, wenn ich Auto fahre.“ „Sehr vernünftig. Aber gestatten Sie mir, dass ich noch eins trinke.“ Der Alkohol stieg mir so langsam in den Kopf, aber ich fühlte mich Jonathan trotzdem haushoch überlegen. Als er mir so gegenüber saß, schien ich eine leichte Verzweiflung in seinem Gesicht zu erkennen. „Was ist los mit Ihnen?“, fragte ich vorsichtig. „Was wollen Sie eigentlich von meiner Mu…“, fast wäre mir wieder Mutter rausgerutscht, doch in der letzten Sekunde konnte ich mich beherrschen. „Von meiner Tante?“ „Nichts“, gab er mir zur Antwort. „Nichts? Dann frage ich mich, warum Sie ständig mit ihr unterwegs sind. Wenn Sie auf ihr Geld spekulieren, dann muss ich Sie enttäuschen. Tantchen ist nicht doof. Sie hat bereits dafür gesorgt, dass niemand außer ihr, an das Geld rankommt.“ Das sog ich mir so aus den Fingern, denn auch ich wusste nicht, was Mutter mit dem Geerbten vorhatte.

„Ich will und brauche ihr Geld nicht. Es gibt einen anderen Grund, warum ich hier bin.“ Plötzlich umgab mich ein gewisses Unbehagen und ich war nicht wirklich daran interessiert, warum Jonathan in unser Leben eingedrungen war. Dennoch machte mich sein merkwürdiges Verhalten neugierig. „Kann ich Ihnen etwas anvertrauen, Cousin aus Amerika?“ Ich trank einen großen Schluck an meinem Bier und nickte erwartungsvoll. „Ich hoffe, Sie behalten das aber noch eine Weile für sich. Es wird den Rest der Familie nicht erfreuen.“

Fortsetzung folgt…

In Pauls Schuhen, Teil 22

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Der Korken der Champagnerflasche knallte, der Deal war in trockenen Tüchern. Also auf in ein neues Abenteuer mit Mutter und Co.

Meine Wohnung wurde gekündigt. Wir zogen innerhalb einer Woche in das neue Haus und Mutter zahlte die drei Monate, die ich hätte noch in der Wohnung bleiben müssen, dem Vermieter bar auf die Hand. Wie viel Geld sie zusätzlich zu diesem Haus noch geerbt hatte, wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Es war Paul und mir auch egal. Wenn ich abends in meinem Wohnbereich die Füße hochlegte, umgab mich eine tiefe innere Zufriedenheit. Weder Paul noch Mutter wagten es ohne vorherige Anmeldung einzutreten.

Eines Abends klopfte Paul zaghaft an meine Tür. Ich musste innerlich grinsen. Sie schienen kapiert zu haben, unter welchen Voraussetzungen ich hier eingezogen war. Wie ein kleiner Junge stand er vor mir und hielt die Schuhe in der Hand. „Zieh sie an, Schwester, wir ziehen heute Abend um die Häuser.“ Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht. „Ich habe keine Lust“, gab ich ihm zur Antwort. „Ginger, bitte. Ich habe dich die ganze Zeit in Ruhe gelassen. Heute Abend möchte ich etwas ausprobieren.“ Ich blickte von meinem Buch hoch. „Und das wäre?“ „Wir haben seit gestern eine Kollegin in unserem Team. Super Architektin. Sehr vertraut mit den neuesten Bauchtechniken. Es ist für heute Abend ein Essen geplant und ich möchte, dass du dabei bist.“ „Warum?“, fragte ich gelassen. Paul wurde ungeduldig. „Ich möchte sehen, ob sie es merkt?“ Jetzt musste ich laut lachen. „Was soll sie merken? Ich habe Sandy schon ein paar mal, na ja, als Mann würde ich jetzt wohl sagen, flach gelegt und sie ist begeistert von mir. Als Mann! Verstehst du oder was glaubst du wohl, warum sie immer wieder vor meiner Tür steht?“ „Gehst du jetzt mit oder nicht?“, fragte Paul mürrisch. Ich legte mein Buch zur Seite. „Meinetwegen, dir zuliebe, aber pass auf, dass Mutter nichts mitbekommt.“ „Mutter ist nicht zu Hause. Sie ist mit dem Verwalter unterwegs.“

Ich hatte noch nicht herausgefunden, was die beiden verband. Dieser junge Schnösel hatte es mit Sicherheit nur auf das Geld von Mutter abgesehen. Ich schlüpfte in die Schuhe und Tom schaute in den Spiegel. Ich sah wirklich umwerfend aus mit diesen lockigen Haaren. Und dieses Ding in meiner Hose kam bei den Frauen richtig gut an. Das heißt bei einer Frau. Sandy. Vielleicht war es wirklich an der Zeit in neuen Gefilden zu jagen. Kurze Zeit später saßen wir mit Pauls Kollegen Holger, der gleichzeitig auch sein bester Freund war, im Restaurant und warteten auf Stella Kleber. So hieß die neue Architektin. Paul stellte mich Holger als seinen Cousin vor, der zurzeit auf Besuch war. „Das ist sie“, flüsterte mir Paul plötzlich zu. „Sieht sie nicht umwerfend aus?“ Das tat sie wirklich. Groß, schlank, schwarzer kinnlanger Pagenschnitt und als sie uns die Hand schüttelte starrte ich in ihre tiefblauen Augen. Sie trug Jeans und eine weiße Bluse mit schwarzem Blazer. Sie setzte sich mir gegenüber und durch ihre transparente Bluse konnte ich erahnen, was sich darunter verbarg. Ich schien sie auch zu beeindrucken, denn sie schaute beim Erzählen fast immer nur mich an. Paul schien sehr amüsiert und hatte gar kein Interesse sich an den Gesprächen zu beteiligen. Er war mit seinen Beobachtungen beschäftigt und als Stella den Tisch kurze Zeit verließ schaute er mich fragend an. Ich wusste genau, was er wollte. „Sie ist nicht blond“. Paul erschrak offensichtlich. „Du stehst ausschließlich auf blond?“ Holger lachte. „Das kann ich gut verstehen. Ich finde blonde Frauen auch heiß.“ „Ja, ich stehe auf blond,“ gab ich zur Antwort, „das soll aber nicht bedeuten, dass ich Stella nicht äußerst attraktiv finde.“  „Ich glaube, sie steht auf dich“, warf Holger ein. „Du hast wahrscheinlich leichtes Spiel.“ Stella kam an den Tisch zurück und plauderte weiter aus ihrem Leben. Sie war seit einem halben Jahr Single und auch nicht auf der Suche nach einer neuen Beziehung. Da hatten mir ihre Blicke aber etwas ganz anderes gesagt. Und den Beweis hatte ich, als sie mir beim Gehen ihre Telefonnummer zuschob.

Fortsetzung folgt…

Hommage an Clovelly

Als ich zum ersten Mal dieses unbeschreiblich schöne Fischerdörfchen in Clovelly besuchte, dachte ich, das kann nur das Paradies sein. Zumindest stelle ich es mir so vor. Nicht irgendwo auf einer Wolke schweben, nein, hier ist es, mein Paradies! Die vielen kleinen, steil in den Fels gebauten Fischerhäuser, die einen 800 Meter langen Kopfsteinpflasterweg säumen, der in einen kleinen Hafen mündet, berühren mein Herz. Jedes ist für sich liebevoll dekoriert und die kleinen Gärten laden zum stehenbleiben und staunen ein. Trotz einiger Touristen, deren „Eintrittsgebühr“ dieses Fleckchen meiner Bewunderung am Leben erhält, ist es ruhig und man hört oft nur das Meer rauschen. In diesem kleinen Ort wohnen etwa 400 Einwohner und seit 250 Jahren ist Clovelly in Privatbesitz. Die Menschen leben hier noch immer von dem klassischen Fischfang.  Außerdem gibt es im Hafen ein kleines Hotel, ein paar Souvenierlädchen und ein Platz, an dem ich meine geliebten Scones mit Clotted Cream mit Blick aufs Meer genießen kann. Bin ich dann unten im kleinen Hafen angekommen, setze ich mich an die Kaimauer und genieße mein Paradies. Dieser Anblick ist phantastisch. Ich bestaune noch einmal die Häuschen, die aus dem Fels ragen und bin auch von dieser Stelle aus mehr als beeindruckt. Clovelly hat eine Spur in meinem Herzen hinterlassen, samt den Menschen, die dort leben und mir ein paar Stunden in „meinem Paradies“ gewähren.

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Frieden

Es weht ein sanfter Wind, die See liegt ruhig vor mir. Am Horizont sehe ich die Sonne, die sich langsam von diesem Tag verabschiedet. Der gelbe Ball taucht den Himmel in verschiedene Farben. Von feuerrot bis hellorange. Der lange Streifen, der sich IMG_6985im Wasser spiegelt, erinnert mich an einen Weg, der ins Licht führt. Ich bin beeindruckt und ganz still. Minutiös beobachte ich das Schauspiel bis die Sonne mit dem Horizont verschmilzt. Viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Diese Großartigkeit der Natur lässt mich klein und zufrieden werden. Dieser tiefe Moment der inneren Ruhe und des Friedens möchte ich für immer festhalten. Die Sonne, die jetzt hier unter geht, verwandelt an einem anderen Ort die Nacht in einen neuen Tag. Und wenn meine Nacht vorüber ist, werde auch ich wieder von der Helligkeit begrüßt. Immer und immer wieder. Warum sollte es dann nach dem Tod vorbei sein? Das Licht, dass wir dann sehen, wird dieses wohl übertreffen. Ich wünsche es mir so sehr und ich glaube daran. Sind sie uns doch nur vorausgegangen, all unsere Lieben, die wir hier so sehr vermissen. Wartend werden sie uns begrüßen, wenn wir einmal in ihr Licht eintauchen dürfen. Die Sonne ist nun hinter dem Horizont verschwunden und ein Stück Himmel sieht aus, als würde es in Rot- und Orangetönen explodieren.   Ich danke dem Tag für diesen unvergessenen wunderschönen Ausklang! Anmerkung: Leider spiegelt dieses Foto die Farbgewalt, die ich erleben durfte nicht wieder. Aber andeutungsweise kann man erkennen, wie großartig dieser Moment war.

In Pauls Schuhen, Teil 21

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Ich stieß Paul in die Rippen. „Der Kerl hat was mit Mutter.“ Paul schaute mich etwas verstört an. „Der Kerl ist mindestens 20 Jahre jünger als sie, mindestens.“ „Und? Wir kennen doch Mutter. Ihre Liebhaber waren immer jünger als sie.“ Paul schüttelte mit dem Kopf. Er wollte es einfach nicht wahrhaben, dass unsere Mutter auf gut gebaute jüngere Männer stand. Wir fragten uns immer wieder, was diese Männer an unserer Mutter fanden. Nun gut, sie sah mit ihren 73 Jahren aus wie 60 und ihre Figur konnte immer noch mithalten. Sie joggte regelmäßig, wenn sie nicht gerade telefonierte und achtete auf ihre Ernährung. Ihr Gesicht war fast faltenfrei. Sie sagte immer, dass seien die guten Gene ihrer Vorfahren. Ich hatte so gar nichts von Mutter. Weder von außen, noch von innen. Ich musste wohl total nach meinem Vater geraten sein. Paul und ich hatten uns irgendwann damit abgefunden, dass Elisabeth, so sprachen wir sie an, wenn wir sehr böse auf sie waren, eine schräge Persönlichkeit war.

Das Haus in Hanglage war über zehn Treppenstufen zu erreichen. Mit schweren Einkaufstaschen stellte ich mir das gar nicht lustig vor. Aber vielleicht zog ja der Verwalter mit ein und wurde zu unserem Hausboy. Wir traten ein und standen in einem Vorraum, von dem aus man in die verschiedenen Zimmer gelangen konnte. Diese waren über drei Etagen verteilt. Vom Wohnraum aus, der einen wunderschönen mit naturbelassenen Steinen gebauten Kamin enthielt, führten sechs Stufen auf eine Empore. Alles weiß gestrichen. Der Anblick erinnerte mich an die Reling eines Schiffes. Von dort gelangten wir in zwei riesige Bäder und zwei weitere Zimmer. Gegenüber der Bäder führten sechs Stufen in einen weiteren Wohnbereich. Dort erwarteten uns nochmals zwei Zimmer und ein etwas kleineres Bad. Wenn ich jemals einem Einzug in dieses Haus zustimmen würde, dann wäre das mein Bereich. Das behielt ich aber vorerst für mich. Paul war total begeistert und konnte es nicht fassen, wie geräumig alles war. Von außen hatte man zuerst gar nicht den Eindruck. „Und Kinder, was sagt ihr? Ist das nicht bezaubernd?“ „Doch, Mutter, das ist es in der Tat“, gab ich etwas verhalten zur Antwort. „Ich bin dabei, Mutter, wann ziehen wir ein?“ Paul umarmte sie und sein Gesicht strahlte wie früher, als wir an Weihnachten die Geschenke auspackten. „Wenn ihr wollt, sofort. Ihr seht, es ist alles neu gestrichen. Johannes empfahl mir die Farbe weiß, dann kann man den Rest farbig ausschmücken.“

Ich grinste Paul an und wollte ihm damit nur sagen, dass Johannes einen höheren Stellenwert hatte, als er vermutete. „Haben Sie sich entschieden Ginger?“, fragte mich Johannes plötzlich. „Ich habe bereits eine Flasche Champagner im Kühlschrank stehen und es sieht so aus, als läge es an Ihnen, ob ich sie öffne oder nicht.“

Mutter und Paul schauten mich erwartungsvoll an. Ich fand das Haus sehr schön und es käme auf einen Versuch an. Vielleicht gab es auch Vorteile für mich, die ich jetzt noch nicht erkennen konnte.

Die Hausarbeit lag nicht allein bei mir.  Die Cousine meiner Mutter hatte einen wunderschönen Garten angelegt. Das fehlte mir schon immer. Auf der Bank unter der Trauerweide würde ich meinen Platz finden und in Ruhe ein Buch lesen. Babs und ich könnten am Wochenende in den zwei Hängematten, die ich sofort entdeckt habe, liegen und über die Männer sinnieren. Es war an der Zeit, sich wieder neu zu verlieben, obwohl Babs die Trennung von Sebastian noch nicht ganz verarbeitet hatte. Wenn mir Mutter und Paul auf die Nerven gingen, dann bliebe immer noch mein eigener Bereich. Ja, ich wollte in dieses Haus. Irgendwie zog es mich magisch an. Selbst wenn dies eine Fehlentscheidung war, konnte ich mich zu jeder Zeit verabschieden.

Drei Augenpaare starrten auf mich bis ich mich endlich zu einer Antwort durchrang. „Ich werde einziehen, wenn ich den oberen Bereich mit den zwei Zimmern und dem kleinen Bad bewohnen kann.“ Mutter und Paul klatschten in die Hände. Paul umarmte mich voller Freude und flüsterte mir ins Ohr. „Und auch mit Tom werden wir unseren Spaß haben.“

Fortsetzung folgt…

In Pauls Schuhen, Teil 20


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Sandy fragte in ihrer Naivität noch einmal, ob Tom denn hier wäre. Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte. Mutter wurde hellhörig und vergaß für einen Moment sogar ihr Handy und den Gedanken an das Haus. Sandy war wohl gekommen, um sich ihre Portion Sex abzuholen. Damit konnte Tom aber heute nicht dienen.

Mutter schob Sandy auf einen Sessel und setzte sich ihr gegenüber. „Nun erzählen sie mir mal Kindchen, was es mit diesem Tom auf sich hat? Hier wohnt kein Tom.“ „Doch“, antwortete sie. „Er wohnt hier, ich weiß es ganz genau und er ist Gingers Bruder.“ Mutter schaute mich etwas verwirrt an. „Ginger hat nur einen Bruder und das ist Paul.“ Sandy wurde böse. „Was mischen sie sich da überhaupt ein. Sie sind doch hier für den Haushalt zuständig.“ „Wie bitte?“, fragte Mutter empört. Jetzt wurde mir die Sache zu heiß. Ich bat Sandy in mein Schlafzimmer, um dort zu warten. Mein überforderter Bruder nahm mich dann zur Seite und schaute mich flehend an. „Hier stimmt etwas nicht, aber ich weiß nicht was es ist. Also, Ginger, erzähle.“ Ich schluckte und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm reinen Wein einzuschenken. „Es hat etwas mit deinen Schuhen zu tun.“ Paul verstand gar nichts mehr und sah mich weiter fragend an. „Wenn ich in deine Schuhe schlüpfe, verwandelte ich mich in einen Mann.“ Paul lachte so laut, dass Mutter herbeigeeilt kam. „Bitte Mutter, lass mich mit Ginger einen Moment alleine.“ Sie ging zwar misssmutig, aber in diesem Moment klingelte ihr Handy und sie war abgelenkt. Paul wandte sie wieder mir zu. „Also, noch mal zum mitschreiben. Du willst mir plausibel machen, wenn du in meine Schuhe schlüpfst, dann wirst du zu einem Mann?“ „Ja, genauso.“ „Und Sandy hat dich als diesen Tom kennengelernt und weiter.“ Ich errötete und Paul sah mich verwundert an. „Du willst mir aber jetzt nicht sagen, dass du sie flach gelegt hast.“ Ich nickte mit dem Kopf. Paul wechselte die Farbe. „Ziehe bitte die Schuhe an, dass will ich sehen.“ „Dann musst du aus dem Zimmer gehen. Ich verwandele mich nur, wenn ich alleine bin.“ „Das ist unglaublich Ginger. Ich kann es nicht fassen, was du mir da gerade erzählst.“ Er ging. Ich schlüpfte in die Schuhe und wenige Minuten später stand er mir gegenüber. Er tippte mit dem Finger vorsichtig auf meine Brust, um zu prüfen, ob ich tatsächlich echt war. „Ich kann es nicht glauben, Ginger, äh, ich meine Tom. Du bist also ein Mann mit allem drum und dran?“ „Ja, soll ich es dir beweisen?“ „Ich bitte darum“, gab er mir neugierig zur Antwort. „Lass die Hosen fallen, Junge.“ Ich tat wie mir befohlen und Paul traute seinen Augen nicht. „Das gibts doch nicht. Alles echt und ganz schön was vorzuweisen.“ Ich musste lachen. „Nur kein Neid, Bruderherz.“ „Und jetzt, Tom?“ „Jetzt lenkst du Mutter ab und ich gebe Sandy genau das, was sie immer braucht.“ Paul konnte nicht glauben, was ich da sagte. „Du hast mit Ginger gar nichts gemeinsam. Also dann, viel Spaß bis gleich.“ Als Sandy später glückserfüllt die Wohnung verlief, ich wieder in meinen eigenen Schuhen steckte, klopfte Paul mir auf die Schulter. „Das ist eine phantastische Geschichte. Vielleicht können wir mit den Schuhen sogar Geld machen.“ Ich schaute ihn etwas verstört an. „Nein, das können wir nicht. Das bleibt unser Geheimnis, Paul und das musst du mir schwören.“ Er antwortete mir nicht. Ich schrie ihn an. „Das musst du mir schwören Paul, bitte.“ Er zögerte noch einen Moment, dann schwor er mir hoch und heilig, dieses Geheimnis für sich zu behalten. Mutter hatte inzwischen ihr Handy für einen Moment zur Seite gelegt und drängte uns weiter, uns doch heute noch das Haus anzusehen. Als wir später dann im Auto saßen fragte sie mich plötzlich. „Du Ginger, was kamen denn da für komische Geräusche aus deinem Zimmer?“ Es wurde plötzlich ganz still. Paul und ich trauten uns nicht mehr zu atmen. „Wenn ich es jetzt nicht genau wüsste, hätte ich gesagt, du vergnügtest dich mit einem Mann.“

Paul räusperte sich. „Mutter, hast du heute Morgen, außer mir, einen Mann in unserer Wohnung gesehen?“ „Nein, habe ich nicht.“ Dann entstand eine kurze Pause. „Ginger, du wirst doch nicht?“ „Was werde ich nicht?“, fragte ich genervt. „Du wirst doch nicht auf Frauen stehen und diese Sandy ist deine Liebhaberin.“

Paul lachte laut auf und ich hätte sie am liebsten aus dem Auto geworfen. „Nein Mutter, es ist nicht meine Liebhaberin und wenn dem so wäre, dann ginge dich das auch nichts an.“ „Stop, hier sind wir“, schrie sie mich plötzlich an „und der Verwalter scheint auch schon da zu sein.“ Er begrüßte Mutter mit einem Kuss und uns gegenüber war er sehr reserviert. Irgendwie machte mich diese Vertrautheit stutzig.

Fortsetzung folgt…

Schönwetterfreundin

Wie dieses Wörtchen schon sagt, Freundin sein, doch bitte nur bei schönem Wetter. Ich habe Gott sei Dank eine, die gerade bei Sturm und Regen immer an meiner Seite ist. Wirklich Glück gehabt!

Es gibt sie aber trotzdem. Freundinnen, die sich an dir bereichern, sehr gerne mit dir lachen, essen, trinken. Das Bild vermittelt nach außen eine tiefe Verbundenheit. Ein Fremder würde gar nicht bemerken, was hinter dieser Fassade steckt. Bis sie bröckelt.

Plötzlich merkst du, dass du diesen Stellenwert an ihrer Seite nur hast, solange es dir gut geht. Sobald sich dein Befinden durch negative Einflüsse verändert, du dich richtig mies fühlst und du dringend einen Menschen bräuchtest, der dich aufrichtet, ist sie weg.

Da ist plötzlich keine Freundin mehr an deiner Seite. Im Gegenteil. Sie wendet sich ab und zetert mit anderen Menschen über deine Situation. Sie spürt noch nicht einmal, wie erbärmlich sie sich verhält.

Lass sie laufen! Ihr ständig aufgesetztes Schönwetterlächeln wird ihr noch vergehen. Es kann nicht immer nur die Sonne scheinen. Und glaube mir, wenn der Regen an ihre Fenster prasselt, dann wird sie das ernten, was sie zuvor gesät hat.

In Pauls Schuhen, Teil 19

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Paul konnte mich nicht so recht überzeugen. Das würde niemals gut gehen. Mutter war so anders als ich. Plötzlich stand sie vor uns. „Habt ihr was zu verheimlichen,“ grinste sie uns an „oder warum steht ihr hier rum und tuschelt.“ „Wir tuscheln nicht, Mutter“, antwortete ich gereizt. „Wir überlegen.“ „Passt mal auf ihr beiden. Vielleicht reizt euch das. Ich habe Geld von einer Cousine geerbt. Sie hat keine Nachkommen. Ihr braucht nichts zu bezahlen. Das Haus ist auch groß genug, um uns aus dem Weg zu gehen.“ Paul strahlte mich an und wartete auf ein Ja von mir. Ich wusste genau was er dachte. Er würde rund um die Uhr verwöhnt werden und könnte kostenfrei leben. Das was er an Miete sparte, hatte er wieder für seine Frauen. „Du hast uns von einer Cousine nie etwas erzählt.“ „Ach Ginger, muss ich denn alles erzählen. Genügt denn nicht, dass ich das Geld geerbt habe und wir uns nun ein schönes Leben machen können.“ „Ich bin jedenfalls dabei“, warf Paul ein. Ich zögerte immer noch. „Nun gut. Ich bin bereit mir das Haus einmal anzusehen und dann entscheide ich für mich.“ Mutter klatschte in die Hände. „Damit kann ich leben“, strahlte sie mich an. In dieser Nacht machte ich kein Auge zu.

Am anderen Morgen stürmte Mutter ohne anzuklopfen oder irgend eine Vorwarnung in mein Schlafzimmer. „Ginger steh auf. Ich habe für heute Morgen einen Besichtigungstermin für uns alle bekommen.“ Ich wusste nicht recht wie mir geschah und dachte zuerst, es sei wieder einer dieser Albträume, die ich ab und zu von Mutter hatte. Sie zog mir die Decke weg und grinste mich an. „Was soll das denn? Wie viel Uhr ist es überhaupt?“ Ich kochte innerlich vor Wut. „Es ist kurz vor sechs.“ Ich stand plötzlich vor dem Bett und schrie Mutter an. „Das war das erste und letzte Mal, dass du so in meinen Privatbereich eingedrungen bist. Merke dir das.“ „Kindchen, reg dich doch nicht so auf. Du bist wie dein Vater.“ „Lass mich mit meinem Vater in Ruhe. Ich kann und will mich nicht an ihn erinnern.“ „Also Ginger, was ist jetzt? Paul ist bei der Besichtigung dabei.“ „Ich muss in die Boutique. Tut mir leid.“ „Ach was, das musst du nicht. Ich habe Barbara schon per Handy eine Nachricht geschickt, dass du heute nicht kommen kannst.“

Ich ließ mich aufs Bett sinken und Mutter quietscht vor Freude. Paul stand mittlerweile im Türrahmen. „Und wie sieht es aus, Gingerlein. Bist du dabei?“ „Hm“, gab ich mürrisch zur Antwort. Das Haus zu besichtigen konnte ja nicht schaden.

Beim Frühstück sagte ich kein Wort. Paul und Mutter unterhielten sich anregend. Für beide schien es schon klar, dieses Haus zu beziehen. Paul stieß mir in die Seite. „Ginger, das Haus soll wunderschön sein und ein Garten ist auch dabei.“ Er benahm sich wie ein kleines Kind. Paul und Garten. Das passte gar nicht zusammen. Ich sah mich schon auf den Kien das Unkraut jäten. Paul saß derweil mit seinen Frauen auf der Terrasse und Mutter lag telefonierend im Liegestuhl. „Ginger, bringst du Paul, seiner Gefährtin und mir bitte etwas zu trinken. Ach, und vergiss das Unkraut vor dem Haus nicht.“

Ich war mit meinem Gedanken so weit weg, dass ich das Klingeln an der Tür zuerst nicht hörte. Es war mittlerweile acht Uhr geworden, aber wir erwarteten niemanden. Kurz darauf stand Paul mit Sandy im Esszimmer. „Diese Häschen behauptet, hier würde ein Tom wohnen.“ Ich starrte beide fassungslos an.

Fortsetzung folgt…